Mit Beiträgen von
Anna A., Otto F., Gottfried Glawar, Miroslav Međimorec, Ljiljana
Radonić, Aleš Senica, Zvonimir Springer
Premiere am 20. April 2017
Gastspiel18.
und 19. August 2017 in Bleiburg, Kärnten
31. Jänner und 1. Februar 2018 in Graz, Theater am Lend
26. und 27. März
2018 in Klagenfurt, Klagenfurter Ensemble
Wiederaufnahme16. und 17. Jänner 2018 / 20 Uhr
Schauspielhaus Wien
Aufführungsdauer 1 ¾ Stunden, keine Pause
Aufführungsrechte bei der Autorin
Wir
danken Slavko Goldstein, Franz Jernej, Othmar Mory & Ivnas Familie für die Unterstützung
Eine Produktion
des Schauspielhauses Wien in Zusammenarbeit mit
Mit Unterstützung von Ein Feld, unscheinbar, wie jedes andere, bepflanzt breitet
es sich aus, ein Feld begrenzt von anderen Feldern. Einst saßen viele Menschen auf diesem Feld, kurz nach einem Weltkrieg,
kurz nach einer Grenze und warteten. Warteten, um nicht in die eigene Heimat zurückgeschickt zu werden. Doch nach dem Warten
kam die Umkehr: Es ging nicht vorwärts, sondern zurück. Manches blieb zurück. Das Feld ein Zwischenraum – zwischen zwei Ländern,
zwei Sprachen, zwei Systemen, zwischen Krieg und Frieden, zwischen zwei Zeiten, eine hatte noch nicht geendet und die andere
noch nicht begonnen.
Trotz jahrzehntelanger Tabuisierung hat sich das Feld von Bleiburg tief ins Zentrum des kollektiven
Gedächtnisses der Völker Jugoslawiens eingeschrieben. Wie kaum ein anderes Ereignis der jüngeren europäischen Geschichte wurden
die Begebenheiten, die dort im Mai 1945 stattgefunden haben, allerdings in widersprüchlicher Weise gelesen, erzählt &
neu-erzählt, überschrieben, vereinnahmt und politisch instrumentalisiert. Der Ausgangspunkt liegt im Frühjahr 1941, als Hitler
den Befehl zum Einmarsch in Jugoslawien gab. Nach der Kapitulation der Armee wurde das Land mit Ausnahme von Kroatien und
Bosnien unter mehreren Alliierten aufgeteilt. In Kroatien gründete sich, von den Nazis protegiert, der faschistische »Unabhängige
Staat Kroatien«, geführt von der Ustascha-Miliz. Als kurz vor Kriegsende die vom späteren sozialistischen Staatschef Tito
befehligte »Jugoslawische Volksbefreiungsarmee« bis kurz vor Zagreb vordrang, entschieden sich die kroatischen Militärs Anfang
Mai 1945 zur Kapitulation. Allerdings wollten sie sich nicht der jugoslawischen Armee sondern den britischen Truppen hinter
der slowenisch-österreichischen Grenze ergeben. Ein gigantischer Tross kroatischer Soldaten und vieler Zivilisten, die nicht
unter dem sozialistischen Regime Titos leben wollten, setzte sich nach Kärnten in Bewegung, bis sie auf dem Feld bei Bleiburg
eintrafen. Die Bedingungen der Kapitulation galt es zu verhandeln, doch nach Tagen der Gespräche akzeptierten die Briten nicht
und die Wartenden mussten doch vor der »Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee« die Waffen strecken. Gezwungen zum Rückzug in
das neue Jugoslawien ließen sie alles zurück: Gewehre, Munition, Uniformen, sogar eine Schreibmaschine, alles blieb auf dem
Feld liegen. Titos Armee schaufelte nur notdürftig Erdreich über das Kriegsmaterial und trieb die Menschen zurück ins Landesinnere,
um ihnen dort ihre Prozesse zu machen. Was nun folgte, wird je nach Blickwinkel verschwiegen oder gefeiert, als Todesmarsch
oder Kreuzzug bezeichnet. Viele der Kroaten verloren auf dem Weg ihr Leben, während sich über das frisch mit Erde gedeckte
Feld im Kärntner Grenzland für lange Zeit das Schweigen legte.
Während die Erinnerung an die Gräuel des Zweiten
Weltkriegs in ganz Europa zum wichtigsten Pfeiler eines gemeinsamen Friedensnarrativs der neuen Europäischen Union werden
sollte, instrumentalisierte Jugoslawien die Kapitulation der faschistischen Ustascha als Gründungsmythos eines supranationalen
Vielvölkerstaats. In Kroatien hingegen steht Bleiburg als nationale Schmach für die Verbrechen des Kommunismus. Während in
den scheinbar harmonischen Jahrzehnten des Tito-Jugoslawiens die Geschehnisse auf jenem Feld bewusst verdrängt wurden, schob
sich Bleiburg nach dessen Auseinanderbrechen wieder ins kollektive und mediale Bewusstsein. Es hat sich zu einer quasi-religiösen
Pilgerstätte des Nationalismus entwickelt, an der bis heute die Waffen im Boden vergraben liegen.
Die Dramatikerin
Ivna Žic nimmt das ideele Spannungsfeld Bleiburgs als Ausgangspunkt für eine sehr persönliche Recherche über Erinnerungspolitik.
In einer Zeit, in der die Gefahr des Nationalismus wieder immer stärker den politischen Diskurs bestimmt, zielt Žic weniger
auf eine dokumentarische Auseinandersetzung als vielmehr auf die mit dem Komplex von Bleiburg in Bezug auf unsere Gegenwart
verbundenen Fragen. Es geht um ein metaphorisches Feld des Sagbaren und des Unsagbaren, das erforscht werden will. Was ist
die Geschichte des Sagbaren: In einem bestimmten Land, in einer bestimmten Familie, in einem bestimmten Moment? Was ist erzählbar?
Was ist erinnerbar? Wie entkommt man im Blick auf Geschichte der Instrumentalisierung im Sinne der eigenen ideologischen Perspektive?
Wer sagt: Du musst dich entscheiden? Wie unabänderlich sind die Narrative, auf die sich heute unsere Gesellschaft stützt?
Wie sicher damit unser Frieden in Europa?
Ivna Žic, geboren 1986 in Zagreb, aufgewachsen in der Schweiz, studierte
Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen und Regie an der Hamburger Theaterakademie. Im Rahmen der Langen Nacht der Neuen
Dramatik an den Münchner Kammerspielen wurde sie 2011 für ihr Erstlingsstück »Die Vorläufigen« ausgezeichnet, das danach am
Theater Konstanz uraufgeführt wurde. Es folgten Uraufführungen u. a. am Theater Winkelwiese in Zürich, am Staatstheater Karlsruhe
sowie am Theater Luzern, dessen Hausautorin Ivna Žic 2012/13 war. Aktuell arbeitet sie an Auftragswerken für die Theater von
Luzern und Basel.