GESCHICHTE
Die Anfänge des heutigen Schauspielhauses reichen zurück bis an den Anfang des 20. Jahrhunderts: Da gab es im Kellergeschoß der Porzellangasse im Neunten Wiener Gemeindebezirk ein Varieté, das später zu einem der ersten Kinosäle Wiens adaptiert wurde und von 1913 bis 1975 den Namen „Heimat-Kino“ beziehungsweise „Citta 2000“ trug und über 597 Sitzplätze verfügte. (Eine Szene des Filmes „Der Dritte Mann“ von Carol Reed aus dem Jahr 1949 wurde in diesem Kino gedreht.)Der Regisseur und Leiter der Theatergruppe „Werkstatt“ („Neues Theater am Kärntnertor“) Hans Gratzer gründete schließlich 1978 das eigentliche Schauspielhaus, baute es zu einem Theater (mit maximal 220 Plätzen) um und eröffnete es am 4. Mai 1978 mit Jean Genets Der Balkon. Hans Gratzer bespielte das Schauspielhaus bis 1986 mit Klassikerinszenierungen, Gegenwartsdramatik und Musical-Produktionen.
Nach Gratzers erster Ära zog der Regisseur, Autor und Schauspieler George Tabori mit seinem Theaterlabor „Der Kreis“ in das Schauspielhaus ein und leitete es von 1987 bis 1990.
1991 begann die zweite Ära Hans Gratzer, der diesmal vermehrt auf Ur- und Erstaufführungen setzte und versuchte, das Schauspielhaus als erstrangiges Gegenwartstheater zu etablieren. Zu seinen wichtigsten Entdeckungen und größten Erfolgen gehörte der Dramatiker Werner Schwab; aber auch österreichische Erstaufführungen britischer Autoren wie Sarah Kane oder Mark Ravenhill sind Gratzer zu verdanken. In seiner letzten Saison führte Gratzer das Haus gemeinsam mit Martin Haselböck als reines Musiktheater, während in der ehemaligen Kantine eine völlig neue Form des Theaters, „das schaufenster“, in Szene gesetzt wurde.
2001 übernahmen Airan Berg und Barrie Kosky gemeinsam die künstlerische Leitung des Theaters. Mit dem von ihnen forcierten interkulturellen Ansatz wurde das Schauspielhaus zu einem internationalen Theatertreffpunkt, einer Bühne, die sich diversen Interpretationen unterschiedlichster Kulturen öffnete und an der zahlreiche Produktionen Oper und Schauspiel erfolgreich miteinander verbanden (z.B. „Poppea“, „Hoffmanns Erzählungen“). Nach dem Weggang Koskys führte Airan Berg das Schauspielhaus bis 2007 als internationale Koproduktionsbühne.
2007 bis 2015 leitete Andreas Beck das Schauspielhaus und gab ihm ein neues Profil als Autorentheater und Theater des Zeitgenössischen mit einem fixen Ensemble. Das Schauspielhaus war in diesem Zeitraum das einzige Theater im deutschsprachigen Raum mit einem ausschließlich zeitgenössischen Repertoire. Der Schwerpunkt lag in der Spielplangestaltung auf der jungen Gegenwartsdramatik. Zu den wichtigsten Dramatikerentdeckungen gehörten u.a. Ewald Palmetshofer (mit der Uraufführung seines Stückes „hamlet ist tot. keine schwerkraft“ wurde das Schauspielhaus im November 2007 neu eröffnet) und Thomas Arzt. Zahlreiche Auszeichnungen für Haus, Ensemble, Stücke, Produktionen und Regisseure (darunter der Nestroyspezialpreis 2008 für den Neustart des Schauspielhauses) sowie Einladungen zu nationalen und internationalen Festivals waren Resultat des großen Erfolges dieses Konzepts.
Seit Juli 2015 ist Tomas Schweigen künstlerischer Leiter des Schauspielhauses, der es als zeitgenössisches Autorentheater mit einer großen Vielfalt unterschiedlicher Zugriffe auf den Begriff der Autorschaft und einem politisch engagierten Spielplan führt. Unter seiner Leitung werden die Produktionen wieder im En-Suite-System gezeigt.