von Miroslava Svolikova
URAUFFÜHRUNG
Regie Tomas Schweigen
(Premiere
am 30. April 2020)
Produktion auf Herbst 2020 verschoben.
Eine Expedition
beginnt: an den Rand. An den Rand der Welt, den Rand des Horizonts. Lauern am extremen Rand die Einhörner? Oder sind da die
randständigen jungen Männer, bewaffnet, und wissen nicht, wohin mit sich? Wo erreiche ich den Rand der eigenen Vorstellung?
Wo gehe ich noch mit und wo nicht mehr, wo ist noch ich und wo nicht mehr, wo ist noch mein wir und wo nicht mehr?
Kann
ich noch mal zurück, wenn ich den Rand einmal erreicht habe? Ob es Schmerzen verursacht, oder Mitgefühl, ob man dort schießen
kann, wenn man eine Waffe hat?
Vorstellungen vom Rand haben in der Kulturgeschichte eine jahrtausendealte Tradition,
bevölkert von Seeungeheuern, Säulen, Flammenschwertern und Wasserfällen unter Käseglocken, die unser Firmament bilden. Miroslava
Svolikova spinnt diese Visionen weiter. Sie erfindet einen Kosmos, skurril wie die Geschichten von Buñuel, surreal wie das
berühmte Treppenhaus von M. C. Escher, in dem sich der Rand wölbt und eine erstaunte Mitte über den Rand quilt. Horror und
Hoffnung haben hier ein Zuhause.
Svolikova skizziert ein surreales Kaleidoskop motivisch miteinander verknüpfter
Szenen. Virtuos verschachtelt sie ihre Erzählräume und Fiktionsfragmente. Rätselhafter denn je erscheint dieser komödiantische
Kosmos, durch den ihre verlorenen Figuren irren, wie Ausgestoßene aus dem Zentrum einer polarisierten Welt, einer nervösen
Zeit. Mit dem ihr eigenen absurden Humor erkennt Miroslava Svolikova das Andere im Tetris-Stein und reflektiert unterschiedlichste
Dimensionen von Grenzziehungen, konstituiert doch schließlich immer erst der Rand die Grenze des Eigenen, gruppendynamisch
wie geografisch. Was schweißt uns zusammen, grenzt uns aber auch gegen andere Gruppen ab? Wer gehört also an den Rand und
wer definiert diesen Rand?
Miroslava Svolikova ist dem Schauspielhaus seit 2016 verbunden, als sie mit dem Entwurf
»Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt« das Hans-Gratzer-Stipendium
gewann. Das Stück lief in der Inszenierung von Franz-Xaver Mayr mit großem Erfolg über zwei Jahre, wurde 2017 zu den Autorentheatertagen
am Deutschen Theater Berlin eingeladen und brachte sowohl Miroslava Svolikova als auch Franz Xaver Mayr Nominierungen für
den NESTROY- Preis ein. Ihr viertes Stück »Der Sprecher und die Souffleuse« wurde mit dem Autor*innenpreis der Österreichischen
Theaterallianz ausgezeichnet. Schon in »Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat
auch was gesagt« und »europa flieht nach europa « ging es darum, einen Mythos auf seine politische und soziale Zukunftsfähigkeit
hin zu befragen und in »Sprecher und Souffleuse« um Teilhabe, (Mit-)teilen und Sichtbarkeit. In Miroslava Svolikovas jüngstem
Stück »Rand« wird ein Grenzgebiet betreten, erst mal ganz vernunftorientiert mit einer soziologischen Untersuchung. Einen
Horror Vacui braucht hier niemand zu haben, er ist gut gefüllt, der Rand. Überhaupt, da wo »wir« sind, ist doch immer die
Mitte, oder nicht?