eine postheroische Schuldenkantate
von Thomas Köck
URAUFFÜHRUNGRegie: Thomas Köck & Elsa-Sophie Jach
Premiere
am 9. November 2017
Nominiert in der Kategorie „BESTE REGIE“ für den NESTROY-PREIS
20181. Wiederaufnahme:
13., 14., 22., 23. Juni 2018 / 20 Uhr
2. Wiederaufnahme:
29. November 2018 / 20 Uhr
30. November 2018 / 20 Uhr
1. Dezember 2018 / 20 Uhr
3. Wiederaufnahme:
4. Juni 2019 / 20 Uhr
5. Juni 2019 / 20 Uhr
Gastspiele:
18., 19. Juni 2018 am
Deutschen
Theater in Berlin (
AUTORENTHEATERTAGE
2018)
5., 6., 7. Juli 2018 am
Theater Kosmos in Bregenz
Aufführungsdauer:
1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
Ein Erbe steht an! In seiner Schuldenkantate für einen Chor von Jugendlichen
und eine Schauspielerin denkt Thomas Köck über das individuelle und kollektive Erbe nach.
Eine Nacht in ferner
Zukunft, dort: ein schlafloses Kind vor einem Bildschirm. Auf dem Screen eine Reportage über vergangene Zeiten. Archäologen
haben eine spektakuläre Entdeckung gemacht. Tief vergraben im Wüstensand stießen sie auf ein seltsames Bündel von Blättern,
auf Dokumente einer längst untergegangenen Kultur. Aber die Wissenschaftler können dieses prähistorische Buch nicht lesen.
Es ist in einer Sprache verfasst, die in keiner Weise mit irgendeiner bisher bekannten verwandt ist. Wie ließe sich ein Text,
der so viel Aufschluss über eine fremde Kultur geben könnte, bloß übersetzen? Schließlich finden die Forscher eine Frau, die
vielleicht als letzte noch Lebende das Buch lesen kann. Kettenrauchend beginnt die alte Dame von der Vergangenheit zu berichten,
schmunzelnd erzählt sie von einer anderen Welt. Von einer Kultur, die keine Differenz zwischen Zukunft und Gegenwart oder
Vergangenheit kennt. Sie beschreibt einen Kosmos der Gleichzeitigkeit. Außerdem eine Gesellschaft, in der die Helligkeit das
höchste Gut ist, die der unstillbare Drang nach Licht aber auch an den Rand des Unterganges führt. Führen wird? Oder doch
schon geführt hat? Über welche Zeit und welche Kultur redet die Kettenraucherin eigentlich gerade?
Wieder
in einer anderen Zeit. Eine Erbschaft steht an, für eine Gruppe von Jugendlichen. Ein Chor. Gut situiert, vielseitig gebildet
und mit vermeintlich besten Chancen wachsen sie auf – sind sie die neue Elite in sicherer Entfernung von den Verheerungen
der Welt? Die Richtung ihrer Zukunft scheint bestimmt. Nur beim Blick auf die eigene Timeline prägen Katastrophen, Systemzusammenbrüche,
Kriege und Gewalt die Zeit. Ihre Herkunft schreibt diesen Jugendlichen gleichermaßen verheißungsvolle wie fordernde Familienaufträge
zu, die sich nicht so ohne Weiteres ablehnen lassen. Sie wachsen in einer Welt der unendlichen Möglichkeiten auf. Die eigene
Biografie gilt es möglichst perfekt zu gestalten, um im Wettbewerb zu bestehen. Die absolute Freiheit droht dabei zur Belastung
zu werden. Den Lebensläufen ihrer Eltern war noch das kapitalistische Versprechen des sozialen Aufstiegs eingeschrieben –
wer die Regeln des Systems befolgte, der konnte auf Schutz vor den unsicheren Schattenseiten der kapitalistischen Gesellschaft
hoffen, wenn man denn nur so gut funktionierte, dass es gelang sich die nötigen finanziellen Polster zu erarbeiten. Die Aufsteigergeneration
der Babyboomer hat ihren Kindern aber auch eine Hypothek in Form gigantischer Staatsverschuldung hinterlassen. Zusätzlich
lauert auf die im frühen 21. Jahrhundert Aufwachsenden die Bürde eines sich immer schneller erwärmenden Weltklimas. Es ist
nicht ausgemacht, ob das bedrohliche Steigen des Meeresspiegels die Privilegien ihrer behüteten Leben in Mitteleuropa eines
Tages nachdrücklich in Frage stellen könnte. Welche sind also die Chancen dieses Erbes? Lässt es sich ausschlagen? Haben die
Jugendlichen noch dieselben Aussichten wie ihre Eltern? Oder reicht die Zukunft nicht mehr für alle? Mehr und mehr lässt Köck
die Gruppe zersplittern …
Eine Frau irrt durch das nächtliche Haus ihrer Eltern. Traumlos vergeht die Zeit
und ein Gedanke reift: der Gedanke an einen Mord. Muss man der Zeit vorgreifen? Sie sinnt auf Rache, will sich holen, was
ihr vermeintlich zusteht. Muss man sich gegen das eigene Erbe wehren? Irgendwann stellt sich in der 5th Avenue die Frage,
ob Blut den Lauf der Dinge verändern muss. Lässt sich die Gewalt nur mit Gewalt beenden? Gibt es eine Zukunft ohne Blutvergießen?
Das Schauspielhaus verbindet mit Thomas Köck eine enge, kontinuierliche Zusammenarbeit, seit mit »Strotter«
in der Regie von Tomas Schweigen die erste Uraufführung eines Stückes von Köck in Österreich realisiert wurde. Seitdem entwickelte
sich Thomas Köck zu einer der wichtigsten jungen Stimmen der deutschsprachigen Dramatik. Zwischenzeitlich wird insbesondere
sein Stück »Paradies fluten«, für das er 2016 mit dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatik ausgezeichnet wurde, an einer
Vielzahl von Theatern nachgespielt, u. a. in dieser Saison auch am Burgtheater. Seine sprachphilosophische Zeitreflexion »Die
Zukunft reicht uns nicht (Klagt, Kinder, klagt!)« ist nach »Strotter« und »Kudlich« das dritte Stück, das als Auftragswerk
des Schauspielhauses Wien zur Uraufführung kommt – zudem wird Thomas Köck im Regieduett mit Elsa-Sophie Jach erstmals selbst
inszenieren.
Die Regisseurin Elsa-Sophie Jach, geboren 1991 in Vorwerk, studierte Regie an der Theaterakademie
Hamburg und Szenisches Schreiben an der UdK Berlin. Werkstattinszenierungen ihrer Texte gab es u. a. am Deutschen Theater
Berlin. Regiearbeiten zeigte sie u. a. beim 100° am Ballhaus Ost, auf Kampnagel und am Schauspielhaus Hamburg. Zusammen mit
einer Gruppe von Jugendlichen und einer Schauspielerin stellen Köck und Jach die Unausweichlichkeit, die »Alternativlosigkeit«
unserer Gegenwart infrage. Sie zeigen Geschichte als Möglichkeitsraum und erinnern an die Veränderbarkeit der Welt, fordern
Widerstand gegen die Zeiten, die vergangenen wie die kommenden.
KEIN NACHEINLASS
- Nach Vorstellungsbeginn besteht für zu spät kommende Besucher*innen kein Anspruch auf die gebuchten Plätze mehr.
BIBLIOTHEK
Thomas
Köck »Subject: A letter from August 7th, 2018« (PDF)»Laudatio
zur Verleihung des Mülheimer Dramatikerpreises 2018 an Thomas Köck« von Tobias Schuster (PDF)»Im
Prinzip schreibe ich immer noch Songtexte, nur sind sie jetzt etwas länger und oft chorisch« Thomas Köck im Gespräch
mit Tobias Schuster (PDF)