Produktionen
von Wilke Weermann
URAUFFÜHRUNG
Regie Anna Marboe
Premiere am 27. Februar 2020
Aufführungsdauer:
ca. 90 Minuten, keine Pause
Sanne. Topher. Jamin. Sven. Vier beste Freunde in ihrem ganz normalen Alltag zwischen
Amphetaminen, Koks, Valium, Albtraum-Tagebüchern und unmotivierten Gesprächen. Gemeine Witze wie am Fließband – man kennt
sich ja. Ihre gegenseitige Zuneigung, Neid, Verzweiflung, Abwertung, kalte Liebe und heißes Begehren fahren auf dem klebrigen
Sitz im Fahrstuhl rauf und runter. Bis in die Unterwelt und wieder zurück an die Oberfläche einer kaputten Video-Gegensprechanlage:
ein verzerrtes Bild ohne Ton. Die Tür wird geöffnet, man kennt sich ja. Wie es zu ihrer Freundschaft einmal kam, ist irgendwie
aus dem Blick geraten, die Empathie wird knapp, die Themen gehen aus. Und doch hält man zusammen, hält sich aus und aneinander
fest.
Gequält von Erwartungsdruck, von den Optionen, die mal viele waren, und manchmal auch vom eigenen Klischee,
sehnen sich die vier nach Bodenhaftung und setzen gleichermaßen alles daran, sie zu verlieren: Unschlüssig, was mit sich,
mit dem Jungsein und mit der Zeit eigentlich anzufangen ist. Die Lust, abzuheben, trifft auf die Furcht vor der Bruchlandung.
Was, wenn unter dem Sitz keine Rettungsweste mehr ist, wenn man sich selbst ins Aus manövriert? Und was bleibt überhaupt zu
sagen?
Zuerst zerbricht die Tasse mit dem Aufdruck von William und Kate, zerspringt in tausend Teile. Wer soll
die wieder zusammenkleben? Dafür klappt das Messer in der Hose wieder zu. Ein sanfter Kuss auf die Stirn ist möglich. Dann
fordert Sanne Aufrichtigkeit. Die Zeit bleibt stehen – irgendwas stimmt nicht. Von sich erzählen, sich anvertrauen funktioniert
nur gut und sicher verpackt in Ironie. Unter der Erzähloberfläche dagegen schlummern die Ängste, die Abgründe, doch die Worte
dafür bleiben irgendwo im Innern stecken – zu weit der Weg nach draußen. Man möchte aus der Haut fahren, das Blut rauschen
hören, sich endlich wirklich spüren. Also auf in den Club, was erleben, rausgehen! Wilke Weermann ist Gewinner des Hans-Gratzer-Stipendiums
2019 des Schauspielhauses Wien. Seine fantastisch-düstere Studie großstädtischer Zwischenmenschlichkeit befragt, wo die gemeinsame
Reise hingeht, wenn mensch nicht mehr darüber reden kann. Oder will. Oder es einfach nie gelernt hat. Was kommt nach leer?
Weermann findet eine luzide, ungeschönte und bisweilen tragikomische Sprache für den Bezugsverlust seiner Figuren.
Pressestimmen
„Besonders cool macht sich Ensemble-Neuzugang Jakob d'Aprile die Rolle des Chefironikers Topher
zu eigen. Bei Til Schindlers Jamin scheinen die Drogen vor allem ein paar Gehirnzellen aufgefressen zu haben, bis er in einem
überraschenden Ausbruch sogar richtig berührende Verletzlichkeit offenbart. Doch auch Simon Bauer, voller passiv-aggressiver
Energie, und die in sich versunkene Clara Liepsch werden auf ganz unterschiedliche Weise der Aufgabe gerecht, im 21. Jahrhundert
auf einen hippen Godot zu warten." NACHTKRITIK
„Sie sind jung und panisch, der Boden
unter den Füßen fehlt. Deshalb hat Regisseurin Anna Marboe die vier Protagonisten auch als unfreiwillige Superhelden inszeniert.
Ihr Unsicherheitsgefühl wiegt so schwer, dass selbst ein normaler Linienflug als gigantische Leistung erscheint. (…) Tattoos
werden lebendig und irgendwann auch die Dinosauriertapete im Bühnenhintergrund. Als schließlich alle, um Bodenhaftung bemüht,
im Technoclub landen und der Tanz entfesselter Dinosaurier anhebt, kommt die Inszenierung zu ihrem Höhepunkt.“ DER
STANDARD
„Der letzte Club, in den sie alle unerwartet hineinkommen, heißt Vortex, und wie ein
Wirbel zieht er sie auch hinab ins Grauen, das sich unter anderem in Musik äußert, die sowohl an die Netflix-Horrorserie "Stranger
Things" als auch den Hochglanzthriller "Drive" erinnert. Überhaupt sind die popkulturellen Anspielungen reichlich, sowohl
bei Text als auch Regie - das geht von Pokemon zu Harry Potter bis dahin, dass sich die vier unvermittelt zusammenstellen,
als würden sie für das Plakat einer Marvel-Comicverfilmung posieren. So wirkt auch Weermanns Text wie eine Millennial-Slacker-Parodie,
die sich das Cape eines Slasherfilms umgehängt hat. Das ist recht unterhaltsam, weil es mitunter so klingt, als wäre Sven
Regener auf Liquid Ecstasy ausgerutscht, die Sprache hat eine pralle Humordynamik, die aber auch Zärtliches zulässt, wie den
rührenden Satz von Sanne über ein Flugzeug: "Eine Metallwurst, in der das kleine Sanne-Leben drinsteckt." Das Ensemble (Simon
Bauer, Jakob D‘Aprile, Clara Liepsch, Til Schindler und Sebastian Schindegger) bringt das mit gut austarierter Balance aus
Ernst und Witz rüber.“ WIENER ZEITUNG
„Die Inszenierung findet betörende Bilder für die
unergründlichen Tiefen des alleingelassen Seins." FALTER
„Zu loben gibt es den unglaublichen
Ideenreichtum der jungen Regisseurin Anna Marboe und der Ausstatterin Giovanna Bolliger. (…) Bolliger zimmerte einen mächtigen,
perspektivisch interessant verzerrten Küchenblock samt Beleuchtungsgalerie.“ KURIER